Die Teilnehmenden gestalten Orte zu kreativen Land Art-Projekten um, die mittels GPS-Gerät oder Smartphone aufgesucht werden können. Dabei wird auf einen ausgewählten Psalmenvers Bezug genommen. Die Schülerinnen und Schüler halten ihre Überlegungen und Interpretationen in einem Logbuch fest, das am jeweiligen Ort verbleibt. Die Kunstwerke werden von den nächsten Besuchern fortgeführt und entwickeln sich dadurch im Laufe des Projekts weiter. Am Ende steht eine Dokumentations- und Reflexionsphase.
Zielgruppe: Ab Jahrgangsstufe 5
Zeitumfang: Mind. 6 Unterrichtsstunden
Materialien:
- GPS-Geräte für jedes Team bzw. eigene Smartphones
- Kärtchen
- Stifte
- Logbücher (siehe Downloadbereich) in Plastikboxen
- Aufgabenstellungen (siehe Downloadbereich)
- Auswahl an Psalmen (siehe Downloadbereich)
- Pinnwand am Sammelpunkt
GPS-Geräte oder Smartphones
Für das Projekt können handelsübliche GPS-Geräte zum Einsatz kommen. Vorteil dieser robusten Geräte ist ihre Unempfindlichkeit gegenüber Staub, Wasser und Temperaturen. Alternativ können die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Smartphones verwenden, da diese in der Regel ebenfalls über ein Modul für den GPS-Empfang verfügen. Dies hat den Vorteil, dass die Geräte nicht eigens angeschafft werden müssen. Für die Ermittlung der GPS-Koordinaten gibt es zahlreiche kostenlose Apps, z. B. Karten Koordinaten (Android) oder Easy GPS (iOS). Die Apps sollten bereits vor Beginn des Projekts installiert werden. Während der Durchführung wird keine Mobilfunk- oder Internetverbindung benötigt, da GPS ausschließlich über Satellitenanpeilung funktioniert.
Die Psalmen als Schlüssel zu Luthers Theologie
„Ein menschliches Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meere, welches die Sturmwinde von allen vier Himmelsrichtungen hin und her treiben: von hierher stößt Furcht und Sorge vor zukünftigem Unglück; von dorther fährt Gram und Traurigkeit über gegenwärtiges Übel; von da weht Hoffnung und Vermessenheit im Blick auf zukünftiges Glück; von dort bläst Sicherheit und Freude über gegenwärtigen Gütern. Solche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und es von Grund ausschütten. Denn wer in Furcht und Not steckt, der redet sehr viel anders vom Unglück, als wer in Freuden schwebt; und wer in Freuden schwebt, der redet und singt sehr viel anders von Freuden, als wer in Furcht steckt. Es kommt nicht von Herzen, sagt man, wenn ein Trauriger lachen oder ein Fröhlicher weinen soll; das will heißen: seines Herzens Grund steht nicht offen und kommt nicht heraus [ans Licht].“
Aus Luthers Vorrede zum Psalter in der Deutschen Bibel (1545)
Luther maß den Psalmen und ihrer Sprache große Bedeutung bei. Mit der exegetischen Arbeit am Psalter beginnt Luthers langer Weg zu seinen reformatorischen Entdeckungen. Ab 1513 hält Luther als berufener Theologieprofessor in Wittenberg Vorlesungen zu den Psalmen. Ausarbeitungen dazu sind in zwei unterschiedlichen Werken, dem bereits 1513 in Wittenberg gedruckten „Wolfenbüttler Psalter“ und Martin Luthers eigenhändigem Manuskript zu seiner ersten Vorlesung über die Psalmen, der „Dresdner Scholien-Handschrift“, erhalten. Die Aufzeichnungen aus den Jahren 1513–1515 geben Einblick in das hermeneutische Denken des Reformators.
In Anlehnung an die scholastische Theologie folgt Luther in diesen frühen Auseinandersetzungen zunächst noch dem vierfachen Schriftsinn (quatuor sensus scripturae), geht jedoch bereits 1513 darüber hinaus. Seine christologische Fokussierung führt dazu, dass er Christus als den Beter der Psalmen versteht und so die Gebetspraxis individualisiert. Radikal wird zwischen dem Buchstaben und seiner Bedeutung unterschieden. In Anknüpfung an seine eigene Biografie zielt Luthers Auslegung auf eine existenzielle Dimension, wird das Verhältnis zwischen Schrift und Glaube neu bestimmt, nämlich als richtendes Wort und als aufbauende Hoffnung. Christopher Spehr schreibt dazu: „Wir haben, mit den Worten Gerhard Ebelings gesprochen, im glossierten Psalterdruck und scholierten Psaltermanuskript die ‚Keimzelle von Luthers Theologie’ vor uns … Der Wert des ‚Wolfenbütteler’ und ‚Dresdener Psalters’ liegt folglich nicht in seiner unmittelbaren Wirkung, sondern im Gehalt der Werke selber begründet. Als Dokumente des Überganges – von der spätmittelalterlichen Frömmigkeitstheologie zur beginnenden reformatorischen Umorientierung – sind sie für die Erschließung des Arbeits- und Denkprozesses des jungen Luther von sensationeller Bedeutung. Weil sich Luthers reformatorische Theologie anhand seiner exegetischen Einsichten entwickelte, bieten die Glossen- und Scholien-Handschrift dem Wissenschaftler einzigartige Einblicke in die exegetisch-theologische Werkstatt des Wittenberger Theologieprofessors zwischen 1513 und 1515.“ (Zitat aus: Christopher Spehr, Luthers Psalmen-Vorlesung (1513–1515) – Historische und theologische Aspekte, in: Irene Dingel und Henning P. Jürgens (Hrsg.), Meilensteine der Reformation, Gütersloh 2014, S. 19)
Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die Schülerinnen und Schüler im Kontext ihrer eigenen Biografie ausgewählte Verse des Psalters erschließen und eigene Interpretationen entwickeln zu lassen.
Projektskizze
Vorbereitung
In diesem Projekt gestalten die Schülerinnen und Schüler Orte im Sinne des Land Art-Konzepts, die von den anderen Teilnehmenden mittels GPS-Gerät aufgesucht werden können. Zu Beginn wird ein Sammelpunkt eingerichtet, der im weiteren Verlauf als zentrale Anlaufstelle dient. Über eine dort aufgestellte Pinnwand erfolgt der Austausch der Koordinaten für die Orte. Im Vorfeld des Projekts bereiten die Lehrkräfte zwei von ihnen gestaltete Orte vor. So können die Teilnehmenden, die ihr Land Art-Projekt als erste abgeschlossen haben, unmittelbar danach eine neue Location aufsuchen.
Name und Koordinaten der Orte werden auf Kärtchen notiert. Jedes Team erhält ein GPS-Gerät (bzw. Smartphones), ein Logbuch (siehe Downloadbereich) mit Plastikbox, eine Auswahl an Psalmen (siehe Downloadbereich), einen Stift und ein Kärtchen mit den Koordinaten des Sammelplatzes auf der Rückseite. Nach der Fertigstellung des eigenen Ortes werden dessen Koordinaten auf der Vorderseite des Kärtchens eingetragen und den anderen Gruppen über die Pinnwand zugänglich gemacht.
Einstieg
Als Einführung ist es hilfreich, den Teilnehmenden die Zusammenhänge zwischen Luthers Biografie, seiner Bibelübersetzung und den Psalmen zu verdeutlichen. Vor dem eigentlichen Beginn kann sich die Gruppe durch die Methode „Menschliche Kamera“ auf das Projekt einstimmen. Dabei finden sich die Teilnehmenden paarweise zusammen. Jedes Team einigt sich, wer zuerst „blind“ ist und wer führt. Die sehende Person führt den Partner zu einer beliebigen Stelle in der Nähe und richtet die „Kamera“, den Kopf des blinden Partners, auf etwas besonders Sehenswertes. Wenn die sehende Person den Kopf sanft arrangiert hat, kann sie den „Auslöser“ drücken (leichtes Ziehen am Ohrläppchen). Erst danach darf der Partner die Augen öffnen und das Bild genießen. Während des Spiels soll nicht gesprochen werden. Die Perspektiven der Aufnahmen sollen im Verlauf variiert werden (von weit bis nah). Nach drei Aufnahmen tauschen die sehende und die blinde Person die Rollen.
Psalmen als Impuls
Eine Auswahl an Psalmen findet sich im Downloadbereich. Sie kann erweitertet bzw. abgeändert werden.
Aufgabenstellung
Eine Vorlage für Aufgabenstellungen, die verändert oder angepasst werden kann, findet sich im Downloadbereich. Die vorgeschlagene Aufgabenstellung lautet:
Ihr macht euch heute mit eurer Gruppe auf den Weg, um die umliegende Landschaft zu erkunden und dabei auch die Bibel neu zu entdecken. Wir haben eine Auswahl an Psalmenversen in der Übersetzung Martin Luthers und ein „Logbuch” vorbereitet. Außerdem erhaltet ihr ein Kärtchen, auf dessen Rückseite die GPS-Koordinaten unseres Sammelpunktes notiert sind.
Eure Aufgabe besteht darin, einen Platz in der Umgebung zu suchen und ihn nach euren Ideen zu gestalten. Wenn ihr einen Platz gefunden habt, sucht ihr auf der Liste zunächst einen Psalmenvers aus, der zu eurem Ort passt. Tragt ihn in das Logbuch ein und versucht, bei der Gestaltung des Land Art-Projekts auf den Vers Bezug zu nehmen. Nutzt dafür die Materialien, die ihr vor Ort findet. Ihr könnt etwas bauen, dekorieren oder legen – eurer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Die Orte sollen im Lauf der Zeit wachsen und von den anderen Gruppen weiter gestaltet werden. Ihr könnt euch ein Thema oder eine Aufgabe ausdenken, wie sich der Platz entwickeln soll. Tragt diesen Auftrag in das Logbuch ein. Überlegt euch außerdem einen besonderen Namen für euren Ort, den ihr ebenfalls in das Logbuch schreibt. Zum Schutz des Logbuchs wird es in der bereitgestellten Plastikbox verwahrt. Sie sollte so platziert werden, dass sie problemlos auffindbar ist. In den nächsten Stunden (oder Tagen) haben die Besucher eures Ortes dann die Möglichkeit, weiter an dem Land Art-Projekt zu arbeiten und eigene Einträge in das Logbuch zu schreiben.
Wenn ihr mit der Gestaltung eures Land Art-Projekts fertig seid, notiert ihr seine GPS-Koordinaten auf die Vorderseite des Kärtchens. Begebt euch danach zum Sammelpunkt zurück und befestigt euer Kärtchen an der Pinnwand. Andere Gruppen können sich die Karte dann nehmen und euren Platz mithilfe der Koordinaten aufsuchen.
Verlauf
Zunächst bilden die Schülerinnen und Schüler Teams. Sie erhalten die oben genannten Gegenstände sowie eine Einweisung in den Umgang mit GPS-Geräten. Im Anschluss stellen sich die Teilnehmenden im Kreis auf und begeben sich sternförmig nach allen Richtungen auf die Suche nach ihrem persönlichen Ort. Sinnvoll ist eine Begrenzung der Entfernung auf maximal zehn Minuten Fußweg vom Ausgangspunkt sowie eine zeitliche Vorgabe für den Abschluss der Gestaltung. Die Orte sollten so gewählt werden, dass sich die Teilnehmenden nicht sehen können.
Die Teilnehmenden wählen einen für sie passenden Psalm aus der Liste aus und gestalten die Orte gemäß der Aufgabenstellung (s. o.). Am Ende tragen sie die Koordinaten ihres Ortes auf die Vorderseite des Kärtchens ein. Diese hinterlassen sie an der Pinnwand am Sammelplatz und besuchen mithilfe der GPS-Geräte/Smartphones Orte der anderen Teams. Das Logbuch verbleibt am jeweiligen Ort.
Die Besuchsphase kann zeitlich begrenzt werden, z. B. auf zwei Stunden. Um Wartezeiten zu vermeiden, werden die beiden Gruppen, die als erste am Sammelpunkt eintreffen, zu den von den Lehrkräften bereits vorbereiteten Plätze geschickt. Wird ein neuer Ort besucht, nimmt die Gruppe das jeweilige Kärtchen mit, wodurch sich Doppelbelegungen vermeiden lassen. Am Platz werden die Anweisungen des Logbuchs ausgeführt. Nach Beendigung des Besuchs werden die Kärtchen zurück an die Pinnwand geheftet.
Nach Ablauf der vorgegebenen Zeit wird am Sammelpunkt auf das nahende Ende der Besuchsphase hingewiesen. Dabei ist zu klären, ob und wie die Orte abgebaut werden. Es liegt nahe, dass die ursprünglichen Gestalter „ihren“ Platz auch wieder abbauen und auf diese Weise wahrnehmen, was aus ihrem Land Art-Projekt geworden ist.
Dokumentation und Reflexion
Vor dem Abbau sollten die Orte fotografiert werden. Diese Dokumentation kann als Grundlage für die anschließende Interpretations- und Reflexionsphase herangezogen werden. Möglich ist auch ein gemeinsames Aufsuchen aller Plätze mit der gesamten Lerngruppe.
Für die vertiefende Nachbesprechung können die Fotos, Logbücher und mündliche Erfahrungsberichte der Teilnehmenden herangezogen werden. Die Reflexionsphase kann z. B. folgende Themen und Fragestellungen beinhalten:
- Austausch über die Erlebnisse und Eindrücke an den jeweiligen Orten
- Auswertung der Logbücher
- Ideen der Erbauergruppe bei der Gestaltung des Ortes
- „Unseren“ Ort für andere öffnen: Wie ging es uns dabei?
- Umgang mit dem, was ein anderer geschaffen hat – Umgang mit Gottes Schöpfung und daraus erwachsende Verantwortung
- Zusammenhänge zwischen den Psalmen und der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler
- Eindrücke beim Abbau
Varianten
- Das Projekt kann auch nach einem Schulgottesdienst oder einer Schülerandacht stattfinden, in deren Zentrum ein Psalmwort steht.
- Alternative biblische Themen sind die Abrahamsgeschichte (1. Mose 11 ff.), der Exodus des Volkes Israel (2. Mose 1 ff.) oder Jesus in der Wüste (Matthäus 4,1-11). Es können auch die Sterne am Nachthimmel einbezogen werden. Sie spielen z. B. in der Abrahamsgeschichte eine wichtige Rolle (vgl. 1. Mose 15,5).
- Die Idee, unterschiedliche Plätze aufzusuchen, kann auch im Rahmen eines „Stationen-Gottesdienstes“ realisiert werden.
- Die Logbücher verbleiben nicht an den einzelnen Orten, sondern jede Gruppe behält ihr eigenes Logbuch die ganze Zeit über bei sich. Einträge erfolgen an jedem der besuchten Orte.
- Die Fotos und Logbucheinträge können als Basis für eine Ausstellung dienen.
Projektidee und Arrangement: Jörg Lohrer