Im Rahmen des Projekts gestalten die Schülerinnen und Schüler ein mehrteiliges Altarbild. Der Ausgangspunkt dafür liegt nicht in den traditionellen Elementen der christlichen Ikonographie, sondern in den Alltagserfahrungen der Schülerinnen und Schüler, die mithilfe von „Weg“-Metaphern erschlossen werden. Damit folgt das Projekt einem rezeptionsästhetischen Ansatz reformatorischer Theologie, wie er sich auch in den Werken der Cranachs zeigt. Als Anknüpfungspunkt und hermeneutischer Schlüssel dient Luthers Gewitter-Erlebnis bei Stotternheim.
Zielgruppe: Ab Jahrgangsstufe 8
Zeitumfang: Ca. 3 Projekttage
Materialien:
Die christliche Bild- und Symbolsprache in Altarbildern oder Heiligendarstellungen stellt Menschen des 21. Jahrhunderts häufig vor Probleme. Für ihre Interpretation ist ein komplexes Vorwissen zu Bibel, Theologiegeschichte und christlicher Tradition nötig. Fehlen diese Kenntnisse, bleibt die Bedeutung im Dunklen. Die Bilder werden dann lediglich als Dekoration oder kunsthistorisch wertvolle, aber inhaltlich rätselhafte Illustration wahrgenommen. Dies gilt keineswegs nur für die Ikonographie des Mittelalters, sondern auch für die darstellende Kunst der Reformation.
Sollen Altarbilder beim Betrachter Resonanz erzeugen, müssen sie ihn in seinem Leben und Alltag erreichen. Dafür ist eine verständliche und niedrigschwellige Bildsprache erforderlich, die dem Betrachter Vertrautheit und Orientierung vermittelt. Werden Perspektiven des Alltags neu arrangiert und in andere Verhältnisse gesetzt (Reframing), kann eine „Ver-Sinn-Bild-lichung“ oder „Aufladung“ des Alltags gelingen (vgl. Hermann Buß, Ein Bild weiß mehr als sein Interpret, in: Dietrich-Diederichs-Gottschalk u.a. (Hrsg.), Treibgut, Gund-lose Bilder von Hermann Buß, Regensburg 2001, S. 13).
Die Bildelemente des Projekts sollen einerseits dem Erfahrungsraum der Schülerinnen und Schüler entstammen, andererseits Grundfragen menschlicher Existenz aufgreifen: Woher? Wohin? Wozu? Mit wem? Im Mittelpunkt der zu gestaltenden Bilder stehen daher sowohl Alltags-Motive als auch das Symbol des Weges. Das Altarbild wird so zu einem Responsorium des 21. Jahrhunderts auf traditionelle Bildprogramme, wie sie sich beispielsweise in den Heimatkirchen der Schülerinnen und Schüler finden.
Auch bei Martin Luther steht am Anfang eine „Weg-Geschichte“. Ihre unterschiedlichen Deutungen durch Luther selbst zeigen, wie Bedrohung und Hoffnung, Herkunft und Zukunft zusammengehören.
Luther studierte seit 1501 an der Universität Erfurt. Auf Wunsch seines Vaters eignete er sich dort juristisches Wissen an, um später das väterliche Unternehmen bei Verhandlungen um Schürfrechte zu beraten und den Verkauf der Erze betriebswirtschaftlich voranzubringen. Am 2. Juli 1505 wurde er auf dem Weg von seinem Elternhaus zurück nach Erfurt von einem heftigen Gewitter überrascht. Nach mittelalterlichem Verständnis wurden Unwetter von dämonischen Kräften zur Bedrohung und Vernichtung der Menschen hervorgerufen. Der Überlieferung nach rief Luther die heilige Anna an, die Patronin der Bergleute, und gelobte, Mönch zu werden. In dieser Darstellung fällt auf, dass Luther nicht Gott, sondern jene Heilige anruft, die die Schutzpatronin des väterlichen Unternehmens ist. 34 Jahre später, am 16. Juli 1539, gibt Luther – folgt man der Historikerin Lyndal Roper – den Geschehnissen eine andere Deutung: „Gott habe in seiner Güte ‚Anna‘ nicht als den Namen der Heiligen, sondern als das hebräische Wort für ‚Gnade‘ verstanden. Diese augenzwinkernde Interpretation erlaubte ihm, die Vorstellung aufrechtzuerhalten, bei seiner Anrufung während des Sturms habe tatsächlich … Gott eingegriffen …“ (Lyndal Roper, Der Mensch Martin Luther, Frankfurt 2016, S. 68).
Die „Weg-Geschichte“ von Stotternheim wird für Luther zu einem Schlüssel seiner Biografie. Auch für Menschen des 21. Jahrhunderts können solche „Weg-Geschichten“ zu Schlüsselerlebnissen werden.
Um die existenziellen Fragen, die in den Altarbildern aufgegriffen werden sollen, zu strukturieren und auf das zu entwickelnde Bild zu übertragen, kann mit folgender Grafik (siehe auch Downloadbereich) gearbeitet werden:
„Bilder sollen helfen, Fragen an sich zuzulassen. Sie sollen nicht die Vorstellungskraft und Interpretationsfähigkeit des Betrachters ersetzen, vielmehr diese in Gang setzen … Verbale Interpretationen sind zwar hilfreich als Wahrnehmungserweiterung, könne aber das Sehen nicht ersetzen. Das Bild weiß im besten Fall mehr als sein Interpret, weil es im wesentlichen im Unbewussten entstanden ist.“ (Hermann Buß, Ein Bild weiß mehr als sein Interpret, in: Dietrich-Diederichs-Gottschalk u.a. (Hg.), Treibgut, Gund-lose Bilder von Hermann Buß, Regensburg 2001, S. 13)
Die Schülerinnen und Schüler kommen großen Fragen des Menschseins mitten im Alltag auf die Spur. Mit einer digitalen Kamera oder mit dem Smartphone suchen sie nach geeigneten Motiven, die sie mithilfe der Five-Shot-Regel in gewöhnlichen und ungewöhnlichen Perspektiven festhalten. Die vorgegebenen existenziellen Fragen (s. o.) bieten dabei eine grobe Orientierung zum Auffinden der Motive. „Aufladungen“ entstehen durch Kombinationen und Arrangements von Motiven, die in der Realität nicht zusammengehören.
Die Beschreibung zur Anfertigung der Altarbilder findet sich am Ende des Beitrags.
Projektidee und Arrangement: Maren Reetz und Andreas Ziemer
Das Anfertigen eines eigenen Altarbilds ist eine große Herausforderung für Projektteam und -leitung. Der bleibende Wert liegt nicht nur im fertigen Kunstobjekt, sondern auch im Prozess seiner Entstehung.
Größe und Format des Altarbilds sollten vorab geklärt werden. Die Verwendung mehrerer Tafeln erleichtert die Arbeit in Teams. Als Trägermaterial bieten sich Hartfaserplatten oder Sperrholz an. Das Material sollte nicht zu dünn gewählt werden. Zu Stabilisierung dient ein Leistenrahmen. Für die Grundierung sind weiße Farbtöne von Vorteil, weil so Umrisse und Konturen mit Bleistift aufgezeichnet und überarbeitet werden können.
Zur Übertragung der Motivcollagen wird für jede Altartafel ein eigener Overheadprojektor benötigt, damit die Gruppen unabhängig voneinander arbeiten können. Werden Gipsbinden verwendet, können dreidimensionale Effekte entstehen. Die Bilder selbst werden mit Acrylfarben angelegt und am Schluss mit Sprühlack fixiert.
Die einzelnen Altartafeln werden durch Schraubverbinden und Scharniere miteinander verbunden und mit Hilfe einer Holzkonstruktion aufgerichtet. Wird zusätzlich eine Tischkonstruktion eingearbeitet, erhält man eine altarähnliche Ablage, z. B. für Kerzen und Texte.
Werden auch die Rückseiten gestaltet, entsteht ein Wandelaltar, der im Laufe des Schuljahres seine Darstellungen ändert und jeweils neue Perspektiven auf das Leben in und mit der Schule preisgibt.