Die Reformation, die vor 500 Jahren von Martin Luther und anderen Frauen und Männern seiner Zeit ausging, war zunächst eine innerkirchliche und religiöse Bewegung, die sich an damals schon lange bekannten und oft kritisierten Missständen in der römischen Kirche und des Papsttums entzündete. Aber im Zuge ihrer Ausbreitung wurde immer deutlicher, dass sich mit der Reformation nicht nur eine Reform der Kirche verband, was in der Folge zur Kirchenspaltung führte. Von der reformatorischen Bewegung gingen wichtige Impulse für die Veränderung vieler gesellschaftlicher Lebensbereiche aus: Lebensgefühl und Selbstverständnis der Menschen begannen sich auf der Grundlage des reformatorisch inspirierten neuen Verständnisses von Subjektivität, von Freiheit, Selbstverantwortlichkeit und Mündigkeit zu verändern. Die Reformation hatte Auswirkungen auf die deutsche Sprache, auf Musik, Architektur, auf Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Familie und vieles mehr. Zudem breitete sich die Reformation auch geographisch aus und wurde zu einem europäischen Phänomen.
Wenn wir uns heute an die Reformation erinnern, haben wir diese komplexen Zusammenhänge vor Augen. Deswegen kann die Reformation gerade im Jubiläumsjahr 2017 nicht auf einen Lerngegenstand des Religionsunterrichts reduziert werden. Die Reformation als ein historisches Geschehen, das die Welt veränderte und unser gesellschaftliches Denken und Handeln bis heute bestimmt, erfordert in der schulischen Bildungsarbeit ein didaktisches Arrangement, das umfassend ansetzt und gesellschaftliche Wirklichkeit nicht in voneinander abgegrenzte und isolierte Unterrichtsfächer aufteilt.
Schulische Projekttage, die sich einem Lerngegenstand mit unterschiedlichen Zugängen und aus unterschiedlichen Richtungen nähern, in denen der übliche Stundenplan ausgesetzt wird und Schülerinnen und Schüler möglicherweise auch klassen- und jahrgangsübergreifend miteinander lernen, sind eine geeignete didaktische Form für dieses Anliegen.
Die Idee des Projektlernens verbindet sich insbesondere mit dem amerikanischen Philosophen und Pädagogen John Dewey, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal ein umfassendes Konzept dieser Art des Lernens entwickelte. Konstitutiv für das Lernen ist Dewey zufolge die Verbindung von Denken und Handeln, von Erkennen und eigenem Tun, die „denkende Erfahrung“. Von daher ist ein produktiver und erfolgreicher Lernprozess nicht jener Vorgang, bei dem der Schüler/die Schülerin von der Lehrkraft vorgefertigte „Häppchen“ mental einlagert, sondern Lernen zielt auf die tätige Auseinandersetzung mit einer Herausforderung, auf die praktisch-konstruktive Lösung eines realen Problems. Im Zentrum der Projektidee Deweys steht das learning by doing.
Eingebettet ist das Konzept des Projektlernens bei Dewey in einen gesellschaftspolitischen Kontext. In der gemeinsamen und kooperativen Bearbeitung von lebensbedeutsamen Aufgaben und Herausforderungen sollen sich die Lernenden einüben in demokratische und solidarische Verhaltensweisen. Sie sollen durch ihre praktischen Lernerfahrungen im Projekt, in dem sie sich als selbstverantwortlich und selbstständig Lernende erleben, handlungsfähig werden für eine offene, sich wandelnde demokratische Gesellschaft – ein Gedanke, der selbst zurückweist auf die in der reformatorischen Bewegung herausgearbeitete Subjektivität des Menschen.
Aus dem kurz skizzierten Konzept des Projektlernens lassen sich einige didaktische Merkmale ableiten. Sie sollen zur Orientierung bei der Planung von Schulprojekttagen dienen. Dass bei der konkreten Umsetzung nicht immer alle Merkmale in gleicher Weise berücksichtigt werden können, liegt auf der Hand.